Krebserkrankungen sind immer noch die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Die medizinische Forschung hat jedoch bei der Behandlung von bösartigen Tumoren große Fortschritte gemacht, so dass heute mehr als die Hälfte aller Krebserkrankungen geheilt werden können. In anderen Fällen läßt sich, oft über Jahre hinweg, eine hohe Lebensqualität erhalten. Dr. Carsten Oetzel, Onkologe der Hämato-Onkologischen Praxis an der Wertachklinik in Bobingen, informiert über klassische und moderne Therapiemöglichkeiten und erklärt die Unterschiede.
Klassische Behandlungsmethoden bei einer Krebserkrankung sind Chemo, Bestrahlung und Operation. Worin unterscheiden sie sich von den modernen Krebstherapien?
Dr. Oetzel: In der klassischen Krebstherapie werden entweder die sichtbare Krebszellen operativ oder mit Strahlen entfernt, oder die so genannte Zytostatika bekämpfen alle schnell wachsenden Zellen, egal ob gut- oder bösartig. Das kann für den Organismus sehr belastend sein. Moderne Therapieformen sind zielgerichteter. Das heißt, man versucht, nur die bösartigen Zellen zu beseitigen, ohne die gutartigen Zellen in Mitleidenschaft zu ziehen.
Wie funktionieren diese modernen Therapien und bei welchen Tumorerkrankungen kann man sie einsetzen?
In der modernen Krebstherapie werden die Erkrankungen aufgrund der speziellen genetischen Veränderungen der Zellen klassifiziert. Wenn man bestimmte Mutationen in den bösartigen Zellen, etwa eines Lungentumors, nachweisen kann, dann kann man mit speziellen Medikamenten genau diese Zellen mit genau diesen Mutationen unschädlich machen. Beim Lungenkrebs sind das beispielsweise rund 15 Prozent der Fälle. In anderen Fällen kann man unter Umständen eine Immuntherapie durchführen, bei der das körpereigene Immunsystem dazu angeregt wird, die Tumorzellen selbst zu vernichten. Das ist jedoch nur dann möglich, wenn ganz speziellen Veränderungen nachgewiesen werden können und häufig sind die Erfolge zeitlich begrenzt, denn die Tumore entwickeln Resistenzmechanismen, mit denen sie sich dieser speziellen Behandlung widersetzen.
Aber die medizinische Forschung macht große Fortschritte. Wird Krebs auf absehbare Zeit heilbar sein?
Dr. Oetzel: Da es sehr viele verschiedene Tumorformen gibt, wird es auch in Zukunft nicht das eine Medikament gegen Krebs geben. Vielmehr müssen diese zielgerichteten Therapien jeweils speziell für ganz bestimmte Krebszellen entwickelt werden und wirken dann auch nur bei diesen. Daher sind wir bei den übrigen Krebsarten auch weiterhin auf die klassischen Methoden angewiesen. Aber die medizinische Forschung geht weiter. Sie entwickelt immer mehr spezifische Therapien und gleichzeitig werden auch die klassischen Behandlungsformen weiterentwickelt und verfeinert und erzielen immer bessere Ergebnisse.
Das alles beherrschende Thema: wie sieht es mit Corona aus? Müssen Tumorerkrankte besonders vorsichtig sein? Sollen sie sich impfen lassen?
Dr. Oetzel: Patienten mit einer bösartigen Erkrankung und Patienten die vor kurzem wegen einer bösartigen Erkrankung behandelt worden sind, haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Infektion. Daher sollten und werden die allgemeinen Maßnahmen zur Vermeidung einer Ansteckung - insbesondere die Abstandsregeln - besonders eingehalten. Andererseits sollten notwendige Therapien aus Angst vor einer Infektion weder verschoben noch abgesagt werden. Beides kann zu einer Verschlechterung der Prognose führen. Daher ist eine Impfung bei Tumor-Patienten besonders sinnvoll und die meisten Patienten in unserer Praxis sind bereits geimpft.
Und welche Möglichkeiten hat man, sich vor Krebs zu schützen?
Dr. Oetzel: Man kann das Risiko einer Tumorerkrankung durch gesunde Lebensweise vor allem durch Sport sowie durch eine gesunde und ausgewogene Ernährung verringern. Rauchen sollte man am besten gar nicht erst anfangen. Ein Teil der Krebserkrankungen ist jedoch schicksalshaft und läßt sich nicht vermeiden. In diesen Fällen ist es besonders wichtig, diese frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Hilfreich sind daher regelmäßige Gesundheitschecks beim Hausarzt sowie Vorsorgeuntersuchungen bei den jeweiligen Fachärzten, etwa die Hautkrebs und Darmkrebsvorsorge sowie die Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung und Brustkrebsvorsorge bei Frauen und die Prostatauntersuchung bei Männern.
Moderne Krebstherapie: Welche Möglichkeiten gibt es? Vortrag von Dr. Carsten Oetzel, Onkologe der Hämato-Onkologischen Praxis an der Wertachklinik in Bobingen, am 30. Juni um 19.30 Uhr im Infopavillon am Mercateum, Alter Postweg 1, Königsbrunn Eintritt frei, Anmeldung erforderlich unter 08231-606 260 oder kulturbuero@koenigsbrunn.de