Die Schilddrüse beeinflusst das Herz-Kreislauf-System, die Verdauung, den Knochenaufbau und sogar die Psyche. Sie wiegt nicht einmal 20 Gramm, also weniger als ein Standardbrief, und schmiegt sich unterhalb des Kehlkopfs mit ihren Schmetterlingsflügeln anmutig um die Luftröhre. Das kleine Organ ist jedoch auch Ausgangspunkt für zahlreiche Erkrankungen. Dr. Joanna Eisenbach, Leitende Oberärztin der Allgemein- und Viszeralchirurgie der Wertachkliniken, informiert über Symptome, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten bei verschiedenen Schilddrüsenerkrankungen.
Was genau macht die Schilddrüse und warum brauchen wir sie?
Dr. Eisenbach: Die Schilddrüse ist sowohl für die Speicherung von Jod und als auch für die Bildung der jodhaltigen Schilddrüsenhormone zuständig. Diese haben viele verschiedene und sehr wichtige Aufgaben im Körper, sie beeinflussen nicht nur den Energiestoffwechsel und das Wachstum einzelner Zellen, sondern den Gesamtorganismus. Das zeigt sich beispielsweise in den Symptomen einer Schilddrüsenüberfunktion. Dabei kommt es zu einem stark erhöhten Puls mit Herzrhythmusstörungen, übermäßigem Schwitzen und einer gesteigerten Darmtätigkeit mit Durchfällen. Die Schilddrüse beeinflusst also unter anderem das Herz-Kreislauf-System, die Verdauung, den Knochenaufbau und sogar die Psyche. Eine milde Schilddrüsenfunktionsstörung kann zum Beispiel vermehrtes Angstempfinden verursachen.
Wie entstehen Fehlfunktionen der Schilddrüse und welche Auswirkungen haben sie?
Dr. Eisenbach: Es gibt sehr unterschiedliche Erkrankungen der Schilddrüse. Bei Jodmangel versucht sie beispielsweise, dem auftretenden Hormonmangel durch eine Vergrößerung des Organs entgegenzuwirken. Dabei kommt es zu einer diffusen Knotenbildung, der klassische Kropf entsteht so, häufig langsam und über viele Jahre hinweg. Häufig gibt es in der Schilddrüse aber auch andere Knoten, die vermehrt oder vermindert Schilddrüsenhormone produzieren und sich teilweise nicht mehr durch die körpereigenen Systeme regulieren lassen. Außerdem gibt es verschiedene Entzündungsformen und Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse, wie zum Beispiel den sogenannten Morbus Basedow. Das alles kann jeweils zu einer Unter- oder einer Überfunktion führen. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion kommt es zu Müdigkeit, Gewichtszunahme, Haarverlust, Depression, Frieren und Verstopfung. Eine Überfunktion führt - wie oben beschrieben - zu Herzrasen, Gewichtsabnahme, Nervosität, Schwitzen und Durchfall. In den letzten Jahren hat leider auch die Zahl der Schilddrüsenkarzinome, also krebsartigen Erkrankungen, zugenommen, die aber erfreulicherweise in den allmeisten Fällen eine sehr gute Prognose haben.
Was für Therapiemöglichkeiten gibt es?
Dr. Eisenbach: Bei Verdacht auf eine Schilddrüsenerkrankung sollte man seinen Hausarzt aufsuchen. Nach dem Arztgespräch und einer körperlichen Untersuchung können mit einer Blutuntersuchung die Schilddrüsenwerte TSH, fT3 und fT4 sowie bei Bedarf spezielle Antikörper bestimmt werden. Eine weitere Behandlung und Diagnostik erfolgt dann oft in Zusammenarbeit mit einem Endokrinologen, einem Spezialisten für Hormonerkrankungen. Eine Ultraschalluntersuchung gibt Aufschluss über Lage, Größe und eventuelle Knotenbildungen. Danach folgt manchmal eine sogenannte Szintigrafie. Das ist ein bildgebendes Verfahren, mit dem Stoffwechselvorgänge in der Schilddrüse sichtbar gemacht werden können. Bei einer Über- oder Unterfunktion ohne auffällige Knotenbildung reicht oft die Einnahme von Medikamenten. Auffällige Knoten werden anhand unterschiedlicher Kriterien beurteilt und dann entweder beobachtet oder mittels einer Feinnadelpunktion weiter untersucht. Eine Operation ist meist bei einem klassischen Kropf, also einer knotigen Vergrößerung der Schilddrüse, und bei bestimmen Arten von Knotenbildungen angeraten, wenn sie eine unkontrollierte Hormonproduktion verursachen oder wenn Verdacht auf Bösartigkeit besteht. Aber auch manche Entzündungsarten, die sich medikamentös nicht ausreichend behandeln lassen, müssen operiert werden. Und manchmal kommt eine Radiojodtherapie als Alternative zur Operation in Betracht, etwa beim sogenannten Morbus Basedow. Dabei wird erkranktes Schilddrüsengewebe durch ein radioaktives Jod-Isotop lokal zerstört. Schilddrüsenoperationen sollten, so wie in den Wertachkliniken, unter Verwendung einer Lupenbrille und eines sogenannten intraoperativen Neuromonitoring durchgeführt. Dabei wird der Stimmbandnerv dargestellt und seine Funktion während der Operation akustisch überprüft.
Und was kann man vorbeugend tun?
Dr. Eisenbach: Leider können wir den meisten Erkrankungen nicht vorbeugend entgegenwirken. Aber, wenn eine Schilddrüsenüberfunktion ausschlossen ist, kann man die eigene Jodaufnahme durch Verwendung von jodiertem Speisesalz erhöhen. Mit dieser Maßnahme kann man der sogenannten Jodmangelstruma, einer Vergrößerung der Schilddrüse die im Volksmund als Kropf bezeichnet wird, oft vorbeugen.
Insbesondere wir hier in Süddeutschland sind durch den bestehenden Jodmangel dahingehend gefährdet. Ebenso wird in der Schwangerschaft und Stillzeit eine zusätzliche Jodaufnahme in Tablettenform empfohlen, um so dem erhöhten Bedarf von Mutter und Kind gerecht zu werden.
Die Schilddrüse: kleines Organ mit großer Wirkung
Telefonsprechstunde am 21. April 2021 von 14 bis 15.30 Uhr
mit Dr. Joanna Eisenbach,
Leitende Oberärztin der Allgemein- und Viszeralchirurgie der Wertachkliniken
Tel. 08232 508 551